Flensburg Es gibt Geschichten des Scheiterns. Aber auch Geschichten, die Mut machen – wie die von Jenny Jürgensen. Die alleinerziehende Mutter eines sechsjährigen Kindes hat es geschafft, über die Berufsfachschule einen Ausbildungsplatz zur Kfz-Mechatronikerin zu bekommen – ohne Mittleren Schulabschluss.
Sie verdankt dies nicht nur ihrer eigenen Hartnäckigkeit, sondern auch der Kooperationsbereitschaft eines Betriebes und dem Einsatz ihrer Lehrerin. Bettina Strack unterrichtet an der Berufsfachschule Gestaltung an der Schützenkuhle das Fach Berufsorientierung. „Ohne ihren Zuspruch wäre ich nicht so motiviert gewesen“, sagt Jenny Jürgensen, die schon seit ihrer Jugend an Autos und technischen Zusammenhängen interessiert ist. Über die Lehrstellenrallye fand sie nach zweijähriger Schulzeit den Weg zum Autohaus Kath, wurde dort unter die Fittiche von Werkstattleiter Christian Jürgensen genommen und meistert in Teilzeit (35 Stunden) alle Aufgaben mit Bravour. „Ohne den erforderlichen Abschluss hatten wir so etwas noch nie gemacht“, sagt ihr Ausbilder, „das war nicht risikofrei.“ Doch sein Schützling habe durch beste Leistungen alle Vorurteile aus dem Weg geräumt. „Und ich bin begeistert, wie engagiert die Schule dahinter steht.“
Jenny Jürgensen war eine von ehemaligen und aktuellen Schülern der Berufsfachschule sowie Vertretern von Ausbildungsbetrieben, die auf Einladung der Eckener-Schule beim Thementag zur Berufsorientierung referierten. Für Leiter Dietmar Post ein wichtiger Beitrag, um praxisnahen Unterricht zu fördern.
Anna Hoppe ist von diesem Konzept überzeugt. Sie wollte nicht auf ihrem schlechten Hauptschulabschluss sitzen bleiben. Die 18-Jährige nahm eine Entfernung von über 40 Kilometern in Kauf, um die Berufsfachschule besuchen zu können. Sie machte ihren Mittleren Abschluss – als Klassenbeste mit der Note 1,6. Seit September steuert sie nun die allgemeine Hochschulreife am Beruflichen Gymnasium (Fachrichtung Gestaltung) an, um später in einem Studium ihrer Leidenschaft nachzugehen: Kunstgeschichte und Architektur.
Die Wege sind vielfältig. Während einige sich für eine Ausbildung entscheiden, wie Aexl Knuth, der eines Tages Medientechnologe sein wird oder Christian Jensen, der nach bereits einem Jahr zur Firma Schur wechselte, um Packmitteltechnologe zu werden, wollen andere ihre Schullaufbahn fortsetzen. „Es regelt sich nichts von allein, man muss etwas dafür tun“, sagt Ronja Ketelsen. Die 16-Jährige ist noch im ersten Schuljahr, hat schon ein Praktikum im Architekturbüro hinter sich und will unbedingt in die Oberstufe. Sie ist ebenso angetan von der Schule wie Hannah Baldir (16). „Das ist voll gechillt hier“, sagt sie. „Wenn man keinen Plan hat, ist man bei uns richtig.“ Lehrerin Bettina Strack formuliert es anders: „Wir reden nicht nur, wir leben Gemeinschaft und Wertschätzung!“ Gunnar Dommasch